Wöllersdorf (Wöllersdorf-Steinabrückl)


Gemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl

Ortsgeschichte

Am Ausgang des Piestingstales, östlich von Markt Piesting und nordwestlich von Wiener Neustadt, liegt der Ort Wöllersdorf, der seit 1972 Sitz der Gemeindeverwaltung der Großgemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl ist.

Grabungsfunde belegen eine durchgehende Besiedlung vom 6. Jahrtausend v. Chr. bis ins 1. Jahrtausend n. Chr. Überreste der ältesten Siedlung konnten im Bereich des heutigen Bahnhofs geborgen werden. Urkundlich wird Wöllersdorf erstmals um 1166 im Codex Falkensteinensis – dem Urbar und Lehensverzeichnis von Kanonikern des Stifts Herrenchiemsee – als Welansdorf angeführt. In der Stiftungsurkunde des Klosters Lilienfeld übertrug Herzog Leopold 1209 den Zisterziensern u.a. auch 6 Weingärten und 1 Mansen in Welantsdorf. Der Ortsname könnte auf den slawischen Personennamen Welan zurückgehen, der möglicherweise der Dorfgründer war. Die Hofstätten und Weingärten in und um Wöllersdorf lagen in der Hand zahlreicher Grundherren: Ihre Besitzer waren u.a. der Landesfürst, die bairischen Grafen von Neuburg-Falkenstein-Hernstein, die Starhemberger, die Herren von Kranichberg, Sachsengang, Pillichsdorf, Stadteck und Wallsee, die Stifte Lilienfeld, Heiligenkreuz und Neuberg an der Mürz sowie das Spital am Semmering.

In Wöllersdorf betrieb man schon in der zweiten Hälfte des 12. Jahrhunderts eine Mühle, die ehemaligen Römersteinbrüche nützte man wieder seit dem 16. Jahrhundert. Im 19. Jahrhundert lieferten sie Baumaterial für die Ringstrassen-Bauten. Die drohende Türkengefahr (17. Jahrhundert) versuchte man mit dem Aufwerfen von Gräben und Schanzen sowie der Verstärkung des sogenannten Höllturms (auch Höhlturm, bereits 1531 genannt) in den Griff zu bekommen, um so dem Feind das Eindringen in das Piestingtal zu erschweren. Die seit etwa Mitte des 13. Jahrhunderts urkundlich belegte Georgskapelle wurde ab der Mitte des 18. Jahrhunderts in zwei Etappen zu einer spätbarocken Saalkirche aus- und umgebaut. Der Architekt war der Wiener Architekt Theodor Valery, der auch den Hochaltar entwarf. 1760 erfolgte die Weihe. Die Freskenausstattung des Innenraumes, 1767 von Franz Anton Maulpertsch ausgeführt, wurde nach dem Erdbeben von 1847 übertüncht.

Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es im Ortsgebiet einen großen Kupferhammer, zwei Mühlen, eine Weißblechfabrik und einen bedeutenden Steinbruchbetrieb sowie die 1825 errichtete Wasserkaserne (später Babenberger-Kaserne) zur Unterbringung des Personals der Raketenfabrik. Schweickhardt (1833) zählte 100 Häuser mit 248 Familien, zu denen 315 männliche, 290 weibliche Personen und 80 Schulkinder gehörten. Der Viehstand belief sich auf 49 Pferde, 315 Zugochsen, 210 Kühe, 140 Schafe, 50 Ziegen und 80 Schweine. Für die Kinder der sich vergrößernden Arbeiterschaft wurde 1904 ein neues Volksschulgebäude errichtet.

Der bekannteste Industriebetrieb war wohl die ehemalige k. u. k. Munitionsfabrik – die Feuerwerksanstalt, deren neue Gebäude ab 1914 nach Plänen des Architekten Ludwig Müller errichtet wurden. Die Werksbahn war die erste mit Hochspannung betriebene Eisenbahn der Welt. Während des Ersten Weltkrieges arbeiteten hier an die 45.000 Menschen, zumeist Frauen und Mädchen. Im Juni 1912 kam es im Lagerdepot zu einer Explosion, bei der zehn Menschen starben und weitere 100 verletzt wurden. Am 18. September 1918 kam es zu der folgenschwersten Katastrophe: Ein Feuer in der Geschossadjustage forderte an die 500 Menschenleben, meist Frauen und Mädchen, die das Gebäude nicht verlassen konnten, da nur ein einziges Eingangstor geöffnet war, um die Arbeiter*innen besser kontrollieren zu können. Nach Kriegsende versuchte die Arbeiterschaft die Umstellung auf Friedensgüter. Allerdings scheiterte das Projekt. Ende 1922 wurde die Schließung des Betriebes angeordnet. 1933 richtete man auf dem Werksgelände ein Anhaltelager zur Inhaftierung von Gegnern des Austrofaschismus ein. Zum 1. Mai 1934 befanden sich bereits 831 politische Gefangene im Lager, 508 Sozialdemokraten und Kommunisten sowie 323 Nationalsozialisten. Im Februar 1938 wurde das Lager aufgelöst. Nach der Machtübernahme durch die Nationalsozialisten wurde Wöllersdorf mit dem Namenszusatz Trutzdorf versehen. Ab 1939 bis 1945 nutzte man die Feuerwerksanstalt als Nachschubbasis für die Deutsche Luftwaffe.

Nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs erfolgten Investitionen in die Infrastruktur sowie in den Siedlungsbau (1952: Wohnhausreihensiedlung „Im Weichselgarten“, 1960 Gründung des Wasserverbandes, 1963 Einführung der Müllabfuhr usw.). Nach der Bildung der Großgemeinde Wöllersdorf-Steinabrückl 1972 führte man diese Projekte weiter. Der ständig drohenden Hochwassergefahr durch die Piesting (schwere Hochwasser 1965 und 1966) begegnete man durch deren Regulierung im Bereich Wöllersdorf. Als Anerkennung für die Aufbauarbeit wurde Wöllersdorf-Steinabrückl in der Sitzung des Niederösterreichischen Landtages am 28. Jänner 1988 zur Marktgemeinde erhoben. Mit Bescheid vom 16. Februar 1988 verlieh die NÖ Landesregierung der Marktgemeinde ein Wappen: In blauem Schild ein aus dem Schildesfuß wachsender silberner Wehrturm mit schwarzer Toröffnung und schwarzen Schießscharten, der im Schildeshaupt von einer silbernen gequaderten Brücke überhöht wird. Die Gemeindefarben Blau-Weiß wurden genehmigt.

Das soziale und kulturelle Leben spielt sich seit 1988 in dem in diesem Jahr eröffneten Marktzentrum ab, in dem Wohnungen, das Gemeindeamt, ein Festsaal für Veranstaltungen und eine Postfiliale untergebracht sind. In der Folge erhielten beide Orte neue Kindergärten (Wöllersdorf 1991, Steinabrückl 1992). 1992 wurde der Markgemeinde das Prädikat „Niederösterreichische Kulturgemeinde“ verliehen. Die Gemeinde erwarb den Höllturm in Wöllersdorf. 1994 erfolgte die feierliche Einweihung des renovierten Höllturmes als Kulturdenkmal und Aussichtswarte. Das Schlössl in Wöllersdorf ging 1998 in den Besitz der Marktgemeinde über. Nach einer tiefgreifenden Renovierung, die 2002 abgeschlossen war, beherbergt das Gebäude heute die Gemeindebücherei, Veranstaltungsräume, ein Museum sowie Wohnungen. Von der Standortschließung des Bundesheeres war 1999 auch die Babenberger-Kaserne in Wöllersdorf betroffen. Die zahlreichen Funde aus den archäologischen Grabungskampagnen, die seit 2005 die vom 6. vorchristlichen Jahrtausend an bis ins 1. Jahrtausend n. Chr. bestehende Siedlung am Ausgang des Piestingtales erforschen, werden seit 2008 im Museum „Das Dorf des Welan“ – Schlössl Wöllersdorf – präsentiert.